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Sonntag, 19. Januar 2014

Tod eines Piloten - Neuseeland


Gestern ist in dem Club, in dem mein Sohn fliegt, der Schlepp-Pilot abgestürzt. Es war sein dritter Schlepp-Flug an diesem Tag und kurz nach dem Start verlor der Pilot die Kontrolle über das Flugzeug. Das Segelflugzeug konnte mit zwei Insassen noch rechtzeitig ausklinken und schaffte es zurück zum Flugfeld. Das Schlepp-Flugzeug aber stürzte in einen nahe gelegenden Wald.

Der Tod dieses Piloten berührt mich so sehr, so dass mein ewiger Zwiespalt, Fliegen, durch einen morgendlichen Weinkrampf voll zum Ausdruck kam. Ich kenne den Piloten nicht einmal aber allein der Gedanke an seine Frau und Kinder und dessen Schmerz. Wie haben sie diese Nachricht aufgenommen? Wie geht es ihnen? Auch erinnert es mich daran, wie gefährlich die Sportart meines Sohnes doch ist. In der Zeitung war die Überschrift "Crash Pilot named". Ich bin empört. Konnte nicht Pilot of crashed plane named oder irgend etwas anderes als Überschrift genommen werden?  Ich hatte mich gerade ein wenig an mein flaues Gefühl im Magen gewöhnt. Das ist nun vorbei. 

FLUGANGST
Ich hatte schon immer Flugangst. Mein erster Flug ging mit El Al nach Tel Aviv. Am Frankfurter Flughafen wurden wir so gefilzt, selbst die heutigen Kontrollen sind nicht so schlimm wie die Kontrolle, wenn man nach Israel fliegt. Unser Flugzeug stand Abseits von den anderen Flugzeugen, umrundet von Panzern und Soldaten mit Maschinen Gewehren. Ein Alptraum für mich aber mein Schicksal ist es wohl, dass ich viel fliege, daran lässt sich nichts ändern. 

Anfangs trank ich Whiskey um das flaue Gefühl im Magen loszuwerden. Dann entdeckte ich Valium und später den Mix von Alkohol mit Valium. Bitte nicht nachmachen aber um meine Angst vor dem Fliegen dem Leser nahe zu bringen muss dies erwähnt werden. 

Als meine Jungs dann irgendwann da waren, konnte ich weder betrunken noch unter dem Einfluss von Tabletten sein. Nüchtern ging es fortan ins Flugzeug. Ich lebte mit der Angst und lernte diese zu verstecken. Ich wollte meinen Kindern nicht die Freude nehmen.

Einmal aber konnte ich in Hamburg nicht ins Flugzeug steigen. Mein Kleiner jauchzte vor Vergnügen, endlich ein kleines Flugzeug in die Schweiz. Dass Flugzeug sah man nicht mal vom Gate aus. Das war einfach zuviel für mich. Mir sträubten sich die Nackenhaare und wir mussten  den Flug verschieben. 

Mein Kleiner ist sensibler und er merkte irgendwann, dass ich Angst vor dem Fliegen habe und plötzlich bekam auch er Angst. Bei unserem Flug von Japan nach Dubai wurde er plötzlich weiss wie die Wand. Er war 7 Jahre alt. 

Ich erzählte ihm, dass er die Augen schliessen soll und sich vorstellen soll, dass er auf einer Lichtung im Wald sitzt. Ein kleines Reh kommt von rechts und läuft über diese Lichtung. Ich erzählte ihm eine Geschichte und er vergass, dass er im Flugzeug sass. Von da an verflog meine Flugangst langsam. 


ZWIESPALT EINER MUTTER
Als mein Ältester anfing in jedes Flugzeug, egal welcher Größe, zu steigen war ich nervlich ein Wrack. Allein der Gedanke daran, dass ihm etwas zustoßen könnte nahm mir den Atem. Einfach unvorstellbar. Der Wunsch nach seinem Pilotenschein war schon immer da aber ich als Mutter habe die Verantwortung für ihn. Soll ich ja oder nein sagen? Nun ich tendierte zu NEIN. Mein Mann kam mir zu Hilfe und sagte, dass  ich seinen Wunsch nicht nachgeben brauche, er aber wird es so oder so machen, nachdem er Alt genug ist. Also stimmte ich zu.

LOSLASSEN
Am letzten Freitag flog mein Sohn für 3 Std., war aber den ganzen Tag weg. Zum ersten Mal wollte ich mich mit einer Freundin treffen und ihn nicht auf den Flugplatz fahren. Ich machte mir Vorwürfe deswegen aber jeder sagt mir im Moment, dass man Teenager Freiheit geben soll. Ich bin da anderer Meinung aber irgendwie ist es schon klar, dass er auf eigenen Beinen stehen muss. Ich bin fast ausgeflippt vor Sorge und als ich einen Anruf von ihm erhielt und ich den verpasste war ich am Boden zerstört. Danach rief ich ihn vielleicht 10x an und verfolgte jede Einstellung auf der Kamera des Segelflugplatzes im Internet. Jedes Detail wurde genau beobachtet. War alles in Ordnung auf dem Flugplatz? Irgendwo ein Krankenwagen? Ja es war alles in Ordnung und natürlich erzählte ich ihm nichts von meiner Sorge um ihn als er nach Hause kam. 

Gestern aber war nicht alles in Ordnung. Es war Sonntag und wir gingen zum Buskers Festival. Gegen 12.00 Uhr sassen wir bei der Vorstellung des "Rubberband boy" und zu dem Zeitpunkt stürzte das Schlepp-Flugzeug ab. 

Genießt jeden Moment mit Euren Lieben, vielleicht ist es das letzte Mal. Reicht euren Mann den Kaffee und kocht die Lieblingsspeisen eurer Kinder. 

XOX
Martine






4 Kommentare:

  1. Ohhh....das ist so bewegend und traurig.....aber der letzte Satz auch so schön. Ich wünsch dir viel Kraft! GlG Anne

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    1. Ja, traurig und es ist schwer damit umzugehen. Darum wird immer und überall davon berichtet, dass man im Moment leben soll.

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  2. Hallo Martine,
    ich kann dies gut verstehen - wahrscheinlich ist die eigene Flugangst dann noch weniger schlimm wie die Angst um die eigenen Kinder. Ehrlich gesagt, ich fliege nie - ob ich Angst davor habe *hm* ich kann es nicht einmal sagen, wenn ich durch die Kontrollen gehe schlägt der Scanner Alarm - wenn man Eisen im Körper hat bleibt dies nicht aus - also erspart man sich diese Aufregung lieber ;)
    Lieben Gruß und Dir eine schöne neue Woche
    Björn :)

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    1. Vielen Dank! Eisen im Körper? Das könnte Komplikationen geben ;).

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